Deutschland und andere Länder mit Anna Lassonczyk

Transkript

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#6 Über Kulturunterschiede innerhalb Deutschlands                                                                                                 sowie die Verbindung zur Heimat

Heute lebt sie in Köln und kommt dort mit den Menschen gut zurecht. Die interkulturelle Trainerin Anna Lassonczyk ist heute hier zu Gast bei Antenne Mainz.

wenn bei uns die Stühle in der Altstadt reingestellt werden, werden sie in Köln rausgestellt. Das ist ein ganz großer Unterschied. Das heißt da beginnt auf einmal um 10, 11 Uhr an einem Freitagabend oder Samstagabend das Leben auf der Straße.

Ja, meine Straße, wo ich lebe, das ist der Hohenzollernring.

Ja mittendrin.

Ja genau. Am Abend ist die mehr befahren als während des Tages.

Ja. Also da war ich sehr überrascht, wenn man das so kennt und denkt um 22 Uhr, wir müssen reinstellen, weil sich sonst die Nachbarn beschweren. Und in Köln wird die Musik aufgedreht und im Prinzip hast du einen Geräuschpegel, dass eigentlich keiner schlafen kann.

Ja. So ist das.

Es ist Leben.

Es ist Leben. Es ist die Freude, die Lebendigkeit, die Energie. Ich brauche an sich nur Strom und eine gute ICE- oder Fluganbindung und habe mich bewusst für Köln entschieden. Und wenn ich nochmal die Wahl hätte würde ich das wieder machen.

Klar gibt es in Köln ein paar schöne Sachen, aber eine richtig schöne Stadt ist es auch nicht, oder?

so wie man empfangen wird, das gibt man zurück. Und das habe ich sehr oft schon gemacht, dass ich auch jemanden, der gerade suchend auf sein Handy geguckt hat, gefragt habe, ob ich helfen kann. Und das prägt die Menschen.

Das heißt in Berlin war das nicht so hilfreich?

Nein. Das war nicht so toll.

Das ist ganz witzig, weil das sich auch so mit meinen Erfahrungen deckt. Also es gibt tolle Menschen in Berlin, wenn du so in der Kneipe bist und dich unterhältst, oder sowas, alles toll. Aber auf der Straße finde ich die Menschen dort auch unfreundlich. Auch Taxifahrer.

So diese Berliner Schnauze, sagt man.

Also ich finde das so überhaupt nicht toll. Ich finde, die sind rotzig frech. Aber gut, vielleicht bin ich auch empfindlich. Also Köln, würdest du sagen ist jetzt dein Zuhause in Deutschland?

Naja Zuhause, ich habe für meinen Buchhalter für meine Steuererklärung eine Auflistung der Reisen vorbereitet wegen dem Verpflegungsmehraufwand, und weiß deswegen, dass ich über 200 Tage in Abwesenheit war, also weg von zuhause, auf Reisen.

Wow.

Hach… wie schön…

Ok, Zuhause. Das ist schon Zuhause finde ich dann, oder?

Genau, das ist mein Zuhause. Während des Jahres meistens dann schnell, um Koffer umzupacken und am nächsten Tag geht’s wieder weiter. Aber dort, genau das ist der Ort, den ich dann als mein Zuhause bezeichne.

Haben Dich Deine Eltern in Deutschland besucht?

Ja. In Passau. Meine Mutter war auch in Köln und in Berlin. Mein Vater war weder in Köln, noch in Berlin. In Passau waren sie beide, genau.

In Passau wars wahrscheinlich noch okay, ne?

In Passau wars ok, sehr katholisch, ja… Bayern.

Ist ja fast wie Zuhause.

Ein Cousin von mir, der hatte Geburtstag und ist übrigens ein Priester, der wohnte in Bayern in der Nähe. Und dann haben sie ihn besucht und deswegen gleichzeitig auch mich.

Aber ich kann mir vorstellen, wie streng das war, das ist ja etwas, das legt ein Mensch ja nicht so ohne weiteres ab. Das heißt, haben die ihren Frieden geschlossen mit dem Leben, das du hier angefangen hast, oder sehen die das noch skeptisch?

Ich glaube sie können das gar nicht nachvollziehen. Also ich bin ein Mal im Monat, teilweise noch öfter, in Polen und ich spreche mit ihnen über die Themen, die unsere gemeinsamen Themen sind. Aber so das wie ich lebe, ich glaube das ist zu deren Ruhe und innerer Sicherheit besser, dass sie das nicht wissen. Weil sie sich dann Sorgen machen würden, wenn sie das wissen. Zum Beispiel als ich in Indien war, habe ich denen das dann erst gesagt, als ich zurück war. Und das gleiche habe ich dann mit Thailand gemacht und wenn ich in den USA bin, wo sie sich dann auch eher Sorgen machen. Ich habe da öfter Seminare, dann ist es besser, dass sie das nicht wissen. Und wenn ich zurück bin, zeige ich dann Fotos, aber dann haben sie nicht gefiebert, das wäre einfach zu viel.

Ist nur der Schreck, aber der ist ja wieder dann gleich vorbei, weil ist ja alles gut gegangen.

Genau, es ist alles gut gegangen.

Das heißt aber Du fährst dann so ein bisschen zurück in diese polnische heile Welt oder?

Ich weiß es nicht, heile Welt, wie meinst Du das?

Hm, ich sage mal, wenn Du da so homöopathisch dosiert die Informationen gibst, das ist ja so ein bisschen wie zurückkommen in die Vergangenheit, oder?

Oh ja, ja. Ich glaube die sind ein bisschen so geblieben. In deren Meinung bin ich immer noch 19. Weil so habe ich das Haus verlassen.

Aber ist auch schön oder? Zu sehen, was man erreichen kann, aber dann doch wieder zu seinen Wurzeln zurückgehen zu können.

Genau. Ich brauche das auch. Ich sage, ich will jeden Monat nach Polen fliegen, um meinen Akku aufzuladen, an meine polnischen Wurzeln anzudocken und auch wieder in meiner Heimatsprache Witze zu machen. Und ich habe immer Kontakt zu meinen Freunden aus der Grundschule, aus dem Lyzeum (sowas wie ein Gymnasium), und das brauche ich, das will ich. Das sind Menschen, die mich über 20, 30 Jahre kennen und auch wenn die nicht mehr up to date sind. Klar haben die keine Ahnung, wie mein Alltag aussieht, das wissen meine deutschen Freunde viel mehr. Aber die wissen Sachen über mich und können Sachen nachvollziehen und mitempfinden, die meine deutschen Freunde nie im Leben verstehen werden.

Volker Pietzsch im Gespräch mit Anna Lassonczyk, hier bei Antenne Mainz.