Deutschland und andere Länder mit Anna Lassonczyk

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#5 Radiointerview: Fernweh, deutsches Sicherheitsbedürfnis, Vertrauen & Kokosnüsse                                                                                                   Meine 14 Umzüge, Improvisation und Unterschiede innerhalb Deutschlands

Aus Polen kam sie nach Deutschland und hat in Passau studiert. Heute ist sie interkulturelle Trainerin. Anna Lassonczyk ist heute hier zu Gast bei Antenne Mainz.

Wie lange warst Du in Passau?

In Passau war ich sechs Jahre, weil ich da studiert hatte. Mit Pausen für Berlin bei Daimler Chrysler, Neuseeland und Cambridge, also ich war nicht immer in Passau, ich habe prickelnde Füße oder wie man es so schön auf Deutsch sagt, Fernweh bekommen. Mich hat schon immer die Ferne, das Extreme gereizt. Deswegen war ich schon während des Studiums sehr viel unterwegs.

Wie war das die 19 Jahre, die Du in Polen aufgewachsen bist, seid ihr da verreist?

Meine Eltern sind ein Mal umgezogen, das war sogar die gleiche Straße, das gleiche Hochhaus, das gleiche Treppenhaus, das gleiche Stockwerk, nur die Tür nebenan. Und ich bin inzwischen 13 oder 14 Mal umgezogen.

Das heißt, da läuft auch das Programm alles anders zu machen?

Ich glaube schon, ja. Wir werden von den Eltern so beeinflusst. Gehen wir sozusagen den Spuren der Eltern hinterher und werden entweder so wie sie oder ganz anders? Meine Eltern lieben Sicherheit und Stabilität. Ich bin viel risikobereiter und liebe die Abwechslung.

Das ist jetzt eines meiner Lieblingsthemen. Wo ist denn heute bitte die Sicherheit?

Ja. Nichts ist sicher.

Da gibt es ja immer solche Modelle. Ich kann mich daran erinnern, als es darum ging mache ich sowas wie das, was ich jetzt mache oder gehe ich in einen kaufmännischen, seriösen Beruf… Damals galt die Bank als sicher. Das ist heute auch schon vorbei. Egal was man als Beispiel nimmt. Es gab große Unternehmen, die galten als sicher. Und wir konnten zugucken, wie sie in Rekordzeit vom Markt verschwinden.

Ja.

Was ist sicher? Also ich glaube oftmals ist man sicherer, wenn man vielfältig ist.

Ja. Deutschland strebt so sehr nach Sicherheit. Weil, in Deutschland habe ich oft das Gefühl, dass wir Angst oder Furcht als Grundgefühl irgendwo verankert haben. Deswegen streben wir nach Sicherheit und wollen alles absichern, was nur geht.

Ja. German Angst ist ja nicht umsonst eine Begrifflichkeit, die es fast in jeden Sprachraum der Welt geschafft hat.

Genau. Die Versicherungsbranche boomt. Sowas wie Haftpflichtversicherung, es gibt Sprachen wo es das Wort nichtmal gibt.

Wobei ich jetzt mal sagen muss, die Haftpflichtversicherung ist tatsächlich wahrscheinlich die einzig vernünftige in dem Ganzen. Die macht ja wirklich Sinn.

Sagst Du.

Jaaa… da kommt das Deutsche jetzt durch, ne?

Die meisten Menschen weltweit kennen das nicht.

Ja, aber ich sag mal, ich meine das ist ja schon Luxus, dass Du für, was weiß ich für 80€ im Jahr im Prinzip vor wirtschaftlichen Risiken, wenn Du irgendwas Dummes machst, abgesichert bist. Das möchte ich auch nicht missen, da bin ich dann deutsch ja.

„Nichts ist sicher, außer, dass nichts sicher ist“ und deswegen, statt auf die Sicherheit und Planung aufzubauen, bauen die Menschen da auf das Vertrauen und haben die Einstellung: „Es wird schon irgendwie“, „Irgendwie kommen wir zurecht“, „Das klappt schon“. Die Menschen helfen einander. Die glauben einfach dran, dass sie mit kreativen Ideen, spontan und flexibel etwas zaubern können und das funktioniert einfach.

Ja, da glaube ich aber auch dran. Das heißt Improvisieren ist manchmal ein wichtiges Gut. Und du kannst auch manche Dinge einfach nicht planen. Der Versuch Leben zu planen der scheitert immer, glaube ich. Am Leben.

Ja. Das Vertrauen, dass egal was passiert, dass es irgendwie immer einen Weg geben wird, das habe ich viel lieber als etwas anderes.

So bin ich gepolt, ich finde es schön ein Ziel zu haben. Aber dann muss man so offen sein, dass man sagt, wenn jetzt der Weg so geradeaus nicht funktioniert, dann muss man halt auch mal bereit sein, den großen Bogen zu laufen.

Genau.

Und dann funktioniert das meistens auch. Das heißt aus Passau ging es dann in die große weite Welt?

Es ging über einige Stationen wie Berlin, Cambridge, Neuseeland… und dann 2009, einen Tag vor Silvester, bin ich nach Köln umgezogen.

Okay. Würde ich mal so als das komplette Gegenprogramm von Passau bezeichnen.

weiche Schale, harter Kern. Das heißt, es ist sehr einfach schnell in Kontakt zu kommen, zum Beispiel in einer Kneipe laden die Menschen dich auf ein Kölsch ein. Die quatschen dich an, aber nach einer Nacht, kennen wir uns irgendwie nicht mehr. Das ist oberflächlich geblieben. Also das sagen dann die Bayern über die Kölner, es ist schwierig diese Tiefgründigkeit, diese Verlässlichkeit, diese Bindung dann in Köln zu schaffen.

Ich spreche gleich weiter mit Anna Lassonczyk, hier bei Antenne Mainz.