Deutschland und andere Länder mit Anna Lassonczyk

Transkript

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#10 Radiointerview: In verschiedenen Kulturen leben und arbeiten                                                                                                               Fühle ich mich den Polen oder den Deutschen zugehörig?

Wenn wir im Ausland Geschäfte machen wollen, dann müssen wir natürlich in den jeweiligen Kulturen auch die Umgangsformen beachten. Über das und vieles mehr, spreche ich mit der interkulturellen Trainerin Anna Lassonczyk, die heute hier zu Gast ist, bei Antenne Mainz.

Ich kann mir jetzt vorstellen, so ein deutscher Manager, der wird in irgendein Land geschmissen und der muss sich dann auf einmal diese ganzen Dinge reinschaffen, was er beachten muss?

Sie buchen einen Rückflug ziemlich schnell im Anschluss an das Meeting. Die andere Partei hätte sich wahrscheinlich, fast überall auf der Welt, für uns Zeit genommen, um diese persönliche Ebene aufzubauen. Das heißt zum Beispiel ein Opernbesuch, eine Stadtführung oder so. Irgendwas wollen die mit uns machen. Und dabei hat der Deutsche dann schon entweder das nächste Meeting mit einem Konkurrenzkunden geplant oder den Rückflug nach Hause.

Ah ja, drei Stunden geplant für die Vertragsbesprechung, dann ist die Unterschrift drunter und ich bin weg.

Genau. Ja und wenn jemand in ein ganz fremdes Land umzieht, natürlich gibt es da so viel, was zu beachten ist. Also nicht nur Daten, Fakten Zahlen, Wohnung und Versicherungen. Vielmehr auch die Mentalität der Menschen, damit wir uns da gut aufgehoben fühlen und Freundschaften mit den Menschen vor Ort schließen können und uns wohlfühlen.

Jetzt hast Du ja ein bisschen auch den Blick, die polnische Brille, obwohl du wahrscheinlich jetzt schon so lange in Deutschland bist. Aber wahrscheinlich wird man auch ein bisschen deutsch oder?

Ach Anna, bist Du deutsch geworden.

da kommen die Deutschen. Und in Deutschland leben sie und dann sagen wir: die Türken.

Ja. Du sagst Problem, ich habe das für mich so interpretiert…

Ne, ich glaube bei vielen Türken, die hier leben, ist es schon ein Problem.

Ein Identitätsproblem, ja.

Die hängen zwischen zwei Gesellschaften.

Ja, zu denen sie dazugehören.

Ja das finde ich schon schwierig. Da ist glaube ich hier bei uns im Land ganz viel falsch gelaufen.

Ich finde, dass Menschen, die gerade so einen Migrationshintergrund haben, …

Aber alleine, dass wir so ein Wort haben. Also ich weiß nicht. Das ist doch kein schönes Wort, oder?

Migrationshintergrund?

Menschen mit Migrationshintergrund. Findest Du das ist ein schönes Wort? Ich glaube, das ist was Deutsches oder?

Ja, es klingt sehr lang.

Und es klingt nicht freundlich irgendwie. Es ist… ich weiß es nicht…

Und es ist sehr fachlich, ja.

Genau. Das heißt wir versuchen da irgendwie einen komplexen Menschen in eine Gesellschaft zu integrieren. Und wir denken dann, wir können das mit irgendeiner Begrifflichkeit schönreden. Aber das ist ein, vielleicht auch generationsübergreifender, Prozess, um das alles richtig oder bestmöglich zu machen. Richtig geht wahrscheinlich gar nicht.

„Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unseres Denkens“. Und wenn wir zweisprachig aufgewachsen sind, oder zwei Sprachen sprechen, haben wir dann neue Ansichten, die wir in unserer Sprache nicht ausdrücken können. Es gibt Sprachen, bei denen zum Beispiel „grün“ und „blau“ das gleiche Wort ist. Und das Gehirn, auch im Erwachsenenleben, kann die Farben dann nicht mehr auseinanderhalten. Das Gleiche bei den Eskimos: Die haben dann, je nach Literatur, einige sagen 12, einige 25, einige über 200 Worte für Schnee. Weil die das brauchen. Diese Arten von Schnee wie grau, matschig, fest, glänzend usw., auseinander zu halten ist überlebenswichtig für die. Für uns ist es einfach nur Schnee. Wenn wir in einer anderen Kultur aufwachsen, oder eine andere Sprache kennen, dann haben wir einfach plötzlich auch die Möglichkeit, andere Perspektiven anzunehmen und uns gerade dann aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wenn wir uns dann in diese Perspektive begeben und das eher als Vorteil sehen, dass ich zum Beispiel dann die Spontaneität, Kreativität, Flexibilität, und so ein bisschen dieses verrückte um drei Ecken denken aus Polen habe. Und ich habe dazu die Disziplin, die Korrektheit und einfach viele deutsche Eigenschaften, die mir auch helfen. Da habe ich dann Vorteile aus beiden Ländern für mich gezogen. Das könnte in Fällen von Türken glaube ich auch der Fall sein, wenn sie sich das erlauben.

Was passiert denn, wenn die bleiben? Also einfach den Gedanken schonmal zulassen. Ich glaube dann wären Sachen anders gelaufen, vielleicht.

Ja im Nachhinein sind wir alle schlauer. Damals haben wir einfach Arbeitskräfte gebraucht. Die Menschen haben immer das Beste, was in deren Situation möglich war, gemacht. Also die waren wahrscheinlich noch nicht so weit. Im Nachhinein ist es immer einfacher.

Ja. Klar. Aber ich denke dafür ist ja Politik auch da. Ein bisschen weiter denken als davor, sollte dann schon sein.

Gleich geht’s weiter im Gespräch mit Anna Lassonczyk.

Danke auch, mir hat es sehr viel Spaß gemacht. Schön, dass wir gesprochen haben.